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Chronik der Schule Horst.
Schulspeisung ab Nov. 46:
Ab November 1946 hat die Militärregierung auch dem Amtsbezirk
Oberbruch die Schulspeisung genehmigt. Gegen einen wöchentlichen Beitrag von
1,50 RM pro Kind wird in der Pause um 10 Uhr an jedes Kind 1/2 ltr. Suppe
ausgegeben. Anfangs wechselte Biskuitsuppe mit Haferflockensuppe. Beide
waren mit süßer Kondensmilch angemacht und wurden von den Kindern gerne
genommen und von den Eltern allgemein gelobt. Später gab es nur noch
Erbsenmehlsuppe in Wasser aufgekocht. Die Begeisterung ließ allgemein nach
und die Eltern äußerten sich schon hin und wieder, daß dafür der geforderte
Preis zu hoch sei.
Die Suppe wurde anfangs von der Frau des Lehrers unentgeldlich gekocht und
ausgegeben. Später hat Frau Herzog das Amt gegen Entgelt
übernommen. In Verbindung mit der Schulspeisung wurde
gegen Weihnachten einmalig pro Kind je 8 Tafeln= 440 gr. Vitaminschokolade
ausgegeben.
Martinsfeuer:
Zu einem Martinsfeuer hatte die Schuljugend unter Anleitung
des Lehrers einen mächtigen Haufen Holz auf einem Feld in der Nähe des
Dorfes zusammengetragen. Am Vorabend des Martinstages hatten Böswillige den
Haufen vorzeitig in Brand gesteckt. Durch tatkräftigen Einsatz beherzter
Männer konnten jedoch die Hälfte gerettet werden. Die ältere männliche
Jugend des Dorfes, durch den Pfarrer dazu aufgerufen, machte durch eine
erneute Sammlung von Holz den Schaden wieder gut, so daß die enttäuschten
Gesichter unserer Kinder sich wieder in freudige verwandelten. Am Martinstage
bewegte sich dann ohne weiteren Schaden der Martinszug unter Beteiligung aller
Dorfbewohner durch den Ort zum Feuerberg. St. Martin, hoch zu Ross, voran. Es
folgten die Schulkinder mit selbst gebastelten Fackeln aller Art. Eine
improvisierte Musikkapelle hatte sich dazu gesellt. Die Feuerrede hielt der
Lehrer. Anschließend wurden an der Pastorat die Martinsstuten und Äpfel
verteilt, die aus einer Sammlung stammten, die der Pfarrer und der Lehrer von
Haus zu Haus veranstaltet hatten.
Weihnachtsfeier:
Am zweiten Weihnachtsfeiertag führten die Schulkinder in der
Kirche ein Krippenspiel auf. Anschließend ließ der Gemeinderat aus
gesammelten Mitteln alle Kinder mit Backwerk bescheren.
Wahlen:
Im Herbst dieses Jahres war unsere Schule zweimal Wahllokal.
Nach 14 Jahren traten die Einwohner des Dorfes zum ersten Mal wieder an die
Wahlurne, um den Gemeinderat, die Amtsvertreter und den Kreistag zu wählen.
Es wurde erstmalig nicht nach Liste, sondern die einzelnen Vertreter sofort
gewählt.
Der Kalte Winter 1946/47:
Nach einigen winterlichen Vorgeplänkel setzte schon in der
zweiten Dezemberhälfte 1946 bei dauerndem scharfen Ostwind starker Frost ein.
Es wurde Kälte bis 25° gemessen. Die Vorhersagen der alten Bauern, daß
nach einer reichen Eichel- und Nußernte ein strenger Winter folgte, wurden
wahr. Die erste Kältewelle endete zwischen Weihnachten und Neujahr um nach
einigen Tagen einem neuen Wintereinbruch mit Kältemessungen bis zu 20° Platz
zu machen. So folgte Kältewelle auf Kältewelle bis sich Mitte Februar 1947
auch endlich Schnee dazu gesellte. Junge und alte Wurm froren in dieser Zeit
viermal vollständig zu. Die Mühle mußte ihren Betrieb einstellen.
Überschwemmung im Dorf:
Mitte März begann es tagsüber zu tauen. Die mittägliche
Sonne schmolz auf den Feldern die angewehten Schneemassen. Das Wasser, das in
den steinhart gefrorenen Boden nicht einsickern konnte, wälzte sich in
breitem reißenden Strom durch die Endstraße zur jungen Wurm, welche die
Wassermassen gar nicht fassen konnte und über die Ufer trat. An zwei
Nachmittagen war der Wasserstrom so stark, daß die Kinder der Endstraße nicht
zur Schule kommen konnten. Die Mühle und einige Häuser der Endstraße
mussten im Parterre geräumt werden.
Hungerwinter 1946/47
Nicht nur wegen seiner Strenge und Länge wird der Winter
1946/47 noch lange im Gedächtnis der Menschen haften, sondern auch wegen
seiner denkbar knappen Ernährung und Heizung. Die vorgesehenen 1280 Kalorien
täglicher Nährwerte für den Normalverbraucher werden nicht einmal erreicht.
Fett ist dabei soviel wie keins enthalten. In der 100. Zuteilungsperiode (4
Wochen) wurde für den Normalverbraucher 8000 gr. Brot, 750 gr. Nährmittel
(meist Maisgrieß), 250 gr. Zucker, 490 gr. Marmelade, 125 gr. Kaffee-Ersatz, 62,5
gr. Käse, 75 gr. Butter, 62,5 gr. Margarine und 300 gr. Fleisch aufgerufen und
verteilt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß keine Zuteilung an Kartoffeln
erfolgte. Einkellerkartoffeln waren bei den meisten Leuten aufgezehrt. An
Heizungsmaterial wurde in Horst für den ganzen Winter 1 Ztr. Eierkohlen und 4
Ztr. Schlamm pro Familie zugeteilt.
Bettler:
Wenn es auch in unserer Gemeinde nicht zum schlimmsten stand,
da auch die meisten Nichtbauern wenigstens Kartoffeln, Möhren und zum Brot
Rübenkraut zusätzlich hatten, so bekamen wir das Gesicht des Elends doch
häufig genug zu sehen. Täglich, ja stündlich, selbst bei bitterster Kälte,
gingen Stadtmenschen, verarmte, hohläugige frierende Gestalten, von Hunger
getrieben, bettelnd von Tür zu Tür. Für eine Scheibe Brot, für 2
Kartoffeln, für einen Teller warme Suppe waren sie dankbar. Ihre Kleidung war
manchmal gar zu dürftig für den strengen Winter.
Tauschhandel:
Da auch in
Gebrauchsgegenständen, Kleidung, Schuhwerk, Seife, Kämme bis herab zum
Schnürsenkel fühlbarer Mangel selbst bei den Bauern war, blühte das
Tauschgeschäft. Alles eben Entbehrliche an Kleidung, Haushaltsgegenstände
und Gebrauchsartikel wird aufs Land getragen, um es gegen Fettiges oder auch
nur Nahrhaftes umzusetzen. Geld spielt dabei keine Rolle mehr. Mit
Schrecken sieht jeder dieser Tauscher den Tag kommen, an dem er nichts mehr
besitzt, das er noch hergeben könnte.
Schwarzhandel:
Der König der "Tauscher" dem
alles zugänglich ist, ist der Bauer. Mancher unter ihnen hat auf diese Weise
seinen Betrieb, der unter den Kriegswirren sehr gelitten hatte, flott machen
müssen, da alle normalen Wege versperrt waren. Mancher aber ist nicht nur
Tauscher aus Not geblieben, sonder hat sich dank seiner bevorzugten Lage
dieser allgemeinen Not, rücksichtslos bereichert, er ist Schwarzhändler
geworden.
Ostern 1947 entließ die Schule in einer schlichten
Feierstunde, die in Gegenwart des Pfarrers und des Oberbürgermeisters von den
zurückbleibenden Kindern gestaltet wurde 7 Kinder (5 Knaben und 2 Mädchen)
ins Leben. Zum freiwilligen neunten Schuljahr entschloß sich niemand, obschon
an Lehrstellen bis zum nächsten Jahr nicht zu denken ist. Schuljahr 1947/48: Am 15. April vermehrte sich die
Schülerzahl um 8 Neulinge (5 Knaben, 3 Mädchen) auf 58.
Landtagswahlen 1947:
Am 20. April war die Schule wieder Wahllokal. Es wurde der
Landtag des neuen Landes Nordrhein-Westfalen zum ersten Mal gewählt. Infolge
der hoffnungslosen Ernährungslage erreichte die Wahlbeteiligung nur etwa 67%
der Wahlberechtigten.
Änderung an den Bedürfnisanstalten:
Unsere Wasserversorgung ist trotz vieler Bemühungen immer
noch nicht hinreichend. Bei den gegenwärtigen Verhältnissen (Für
öffentliche Gebäude will kein Handwerker mehr arbeiten, da nichts zu tauschen ist.) ist in absehbarer Zeit mit einer Instandsetzung der Pumpanlage
nicht zu rechnen. Um nun den immer wiederkehrenden Verstopfungen der
Klosetts, die nur für Wasserspülung gebaut sind, ein Ende zu bereiten, hat
sich die Gemeindevertretung auf Veranlassung des Lehrers entschlossen, einen
Jauchekeller anzulegen und die Klosetts umzugestalten. Die Arbeiten müssen
von Orts eigenen, nicht fachmännischen Kräften ausgeführt werden. (Siehe
obige Begründung.) Im Mai ist mit den Ausschachtungen begonnen worden. Ende
Juli ist der Keller ausbetoniert und harrt der weiteren Arbeiten.
Kartoffelkäfer:
Gegenüber dem Vorkommen im vergangenen Jahr ergeben die
Suchaktionen in diesem Jahr mehr als das hundertfache an Kartoffelkäfern. Der
Käfer hat sich über die gesamte Feldflur des Ortes verbreitet und ist auf
jedem Kartoffelstück anzutreffen. Es wurden nur noch Käfer gesucht. Die
Ergebnisse sind nicht mehr zu zählen. Ein Schüler sammelte leicht in 2
Stunden 2000- bis 3000 Stück. Zur Vernichtung der Larven wird mit Kalkarsen
gespritzt.
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